Vereinsaktivitäten
IT der Zukunft
12. Dezember 2018
Plattformprojekt VÜI – Königsweg oder Sackgasse?
SAP hat den Stein ins Rollen gebracht. Für „ECC 6.0“ und „R/3“ wurden vom Konzern zum Ende des Jahres 2025 Support, Updates und Sicherheitstools endgültig abgekündigt. Der Umstieg auf die Nachfolgesoftware „SAP S/4 HANA“ wäre mit enormen Kosten und Risiken verbunden. Daraufhin wurde im vergangenen Jahr von VKU, BDEW und DSAG (Deutsche SAP-Anwendergruppe) eine „Verbandsübergreifende Initiative IT-Plattform der Zukunft“, kurz „VÜI“, ins Leben gerufen. Fünfzehn Unternehmen beteiligten sich an dieser Initiative. Sie definierten gemeinsam die Anforderungen, die an die IT der Zukunft zu stellen sind. Derzeit befindet sich dieses Projekt mit zwölf beteiligten Unternehmen, sechs stiegen aus dem Projekt aus und drei neu ein, in „Phase 2“. Am Ende dieser Phase soll zum Jahreswechsel 2019/2020 allen Energieversorgern eine gemeinsame IT-Plattform für die Abwicklung nicht-differenzierter Massenprozesse zur Verfügung stehen. Trotz vieler guter Ansätze bleibt abzuwarten, ob das Projekt den Wandel der Energiewirtschaft überlebt.
Phase 1 – Aus der Not eine Tugend machen
Wenn aufgrund der SAP-Abkündigung bis 2025 ohnehin in neue IT-Strukturen investiert werden muss, warum dann nicht nach Optionen suchen, die ebenso geeignet sind, dem Top-Thema der Branche, der Digitalisierung, den Weg zu ebnen? Dies war wohl der Grundgedanke des Projekts. In „Phase 1“ wurden klassische Betriebs- und Kostenmodelle in Frage gestellt. „Flexibilität erhöhen, Geschwindigkeit erhöhen, Kosten senken“ war das Credo. Monolithische IT-Strukturen sollten aufgebrochen und damit eine neue Flexibilität hergestellt werden. Man ging zurück zu den Wurzeln und definierte, wie eine IT-Plattform der Zukunft eigentlich auszusehen hat, um im Commodity- und Non-Commodity-Umfeld bestehen zu können. Eine ausschließlich cloud-basierte Lösung, die allen Versorgungsunternehmen offensteht, wurde als erstrebenswertes Ergebnis empfunden. Sie sollte vielfältig nutzbar sein und ihren Anwendern Sicherheit, Geschwindigkeit und Kostenreduktion beim Hosting und der Verarbeitung von Daten bieten.
Phase 2 – Realisierung der Plattform
Schon beim Start des Projekts war das erklärte Ziel, diese Plattform möglichst schnell zu realisieren. Daher war die Suche nach einem Generalunternehmer, der die definierten Anforderungen umsetzen soll, der nächste logische Schritt. Genau hiermit hatte jedoch ein Drittel der Beteiligten Probleme. Sie konnten und wollten sich nicht an der Umsetzung der Plattform beteiligen. Zwölf Unternehmen schritten jedoch zur Tat und folgten dem erteilten Auftrag. Auf dem BDEW-Kongress im Sommer erläuterten Matthias Stoller, CIO von RheinEnergie, und Philipp Lübcke, CIO von Mainova, dass die Vergabereife bis Ende des ersten Quartals 2019 abgeschlossen sein soll. Sieben Konsortien[1] bewerben sich um die GU-Position, zumeist IT-Schmieden und Berater.
Zu kurz gesprungen?
Zum Hintergrund: VÜI ist – ebenso wie BO4E – zunächst eine Initiative, die aus, teils disruptiven, Veränderungen des Energiemarktes mit zunehmender Diversität erwächst. Immer mehr Energieversorger greifen neue, bislang nicht vorhandene Geschäftsfelder auf und bringen innovative Produkte auf den Markt. Die Gründe hierfür reichen von der Digitalisierung, dem Internet of Things über geringe Margen und Smart Grid/Smart Home bis hin zur Dezentralisierung der Energieversorgung (Stichwort Prosumer). Die Anzahl der Geschäftsfelder nimmt zu, die Daten, die je Geschäftsfeld zu verarbeiten sind, explodieren und die Komplexität der Prozesse steigt. Immer mehr werden hochspezialisierte Softwarelösungen erforderlich. Datenaustausch und ein gemeinsames fachspezifisches Datenverständnis werden zum Erfolgsschlüssel der gesamten Branche. Gleichzeitig läuten Experten bereits die „Nach-Plattform-Ära“ ein. Mit Blockchain, Cross-Plattform-Development und Progressive Web Apps halten zudem dezentrale Technologien der Softwareentwicklung Einzug. Ob eine einzelne Plattform, wie sie die VÜI-Protagonisten vorschlagen, die wesentlichen Probleme der Branche lösen kann, darf daher in Frage gestellt werden. Vielleicht wäre es sinnvoller, auch hier auf Dezentralisierung zu setzen und den Austausch zwischen verschiedenen Applikationen zu fördern.
Sehen Sie den BDEW-Vortrag auf YouTube: https://www.youtube.com/watch?v=BEoFaXCG-Xw
[1] Zu den Bewerbern der GU-Position für die VÜI zählen:
- Accenture, SAP und Microsoft
- Arvato Bertelsmann und Konsorten
- Bosch und Partner
- Deloitte und Powercloud
- DXC Technolgoy und Konsorten
- IBM und andere